Was ist ein Kuduro? Wo kommt er her?
Kuduro – die nervöse elektronische Musik aus Angola mit den ausdrucksstarken Tanzbewegungen - feierte im August 2011 mit dem Großevent „Kuduro não para“ im Cidadela-Stadion der Hauptstadt Luanda 15 Jahre ihres Bestehens. Wer den Kuduro wann erfand, wird immer wieder gern kontrovers diskutiert. Tony Amado prägte 1996 mit dem Stück „Amba kuduro“ („Tanz Kuduro“) und dem dazugehörigen Tanzschritt den Namen des Genres. Kuduro-Hits kommen meist im Doppelpack aus Song und Tanzschritt. Die meisten Sänger und Sängerinnen treten mit tänzerischem Support auf oder tanzen selbst exzellent.
Elektronische Tanzmusik wird schon seit Ende 1980er Jahre unter der Genre-Bezeichnung Batida von Angolanern produziert und gehört. Auch die Tanzschritte mit sprechenden Namen und engen Verbindungen zur Alltagskultur, z.B. „Acucar“ („Zucker“) oder Ti Nogueira („Onkel Nogueira“) lassen sich in Angola in die Karnevalstänze und traditionellen Tänze der Provinzen zurückverfolgen. Ende der 1990er Jahre verbreitete DJ Sebem mit seiner täglichen Radiosendung den Sound von und die Begeisterung für Kuduro über ganz Luanda.
Aufgrund des Bürgerkrieges verließen viele Angolaner das Land. Durch regen Austausch mit der angolanischen Diaspora entwickelte sich Lissabon schnell zum zweiten Zentrum des Kuduro. Auch auf internationalen Club-Tanzflächen wird Kuduro seit ca. 2007 regelmäßig gespielt. Mit international vernetzt operierenden Stars, einer breiten Massen-Bewegung mit Sängerinnen und Sängern sowie Tänzerinnen und Tänzern im ganzen Land begleitet von einem soliden Gründungsmythos, weist Kuduro die Merkmale einer stabil funktionierenden Musikszene auf.
In Luanda werden Kuduro-Stücke meist in kleinen Studios in den informellen Wohnvierteln, den Musseques, aufgenommen. DJs produzieren die ca. 140 BPM schnellen Instrumentaltracks mit Software meist komplett auf dem Rechner. Die stark rhythmusbetonten Arrangements können Elemente aus Karnvals-Rhythmen wie Kazukuta enthalten oder auch Kizomba-Melodien. Je nach Charakter des Stückes werden gern dramatische Sound-Effekte eingebaut. Zum Einsingen ihrer fertigen Texte begeben sich die Sängerinnen und Sänger in die Studios. Dort werden unter kreativer Leitung der DJs die Stimmen aufgenommen und in die Instrumentaltracks eingepasst. Alle DJs markieren ihre Tracks durch ein eigenes Audio-Logo, das „Intro“ genannt wird. Über Straßenhändler und die Soundsystems der Sammeltaxis bringen Kuduro-Sänger ihre Stücke dann in der Stadt in Umlauf.
Seit ca. 2009 ist Kuduro auch medial im Mainstream angekommen: Ein Mal pro Woche bietet DJ Sebem in seiner TV-Show „Sempre a subir“ („Immer auf dem Weg nach oben“, TPA2) aufstrebenden und etablierten Kuduristas eine Plattform. Die Radiosendung „Top Kuduro“ (Radio Escola) kürte 2009 auf einer großen Gala Bruno M zum besten Kuduro-Sänger.
Piercings, Tattoos und extravagante Frisuren und Outfits in Primärfarben gehören zum Kuduro-Style. Überhaupt wird in Luanda auf Style („suegue“ oder „swag“) viel Wert gelegt.
In Angola, einem Land mit einer Vielzahl von Schwerbehinderten, halten Amputationen oder Krücken Kuduristas nicht davon ab, sich verwegen aufzustylen und akrobatisch einen Kuduro zu tanzen.
Die Interaktion mit der Kamera und einem antizipierten Medien-Publikums intensiviert noch Carga – die im Kuduro so wichtige Intensität in Tanz und Gesangsperformance.
Stefanie Alisch, 29.09.2011